Weihnachten im Jahr 1929

Beim LEBENDIGEN ADVENTSKALENDER im Haus St. Hedwig werden Erinnerungen wach

Veitshöchheim. Gut kann sich Vera Berz noch erinnern, wie sie als kleines Kind Weihnachten gefeiert hat. Beim Krippenspiel im Kindergarten durfte ich einen Engel darstellen, erzählt die 94 Jahre alte Bewohnerin des Hauses St. Hedwig in Veitshöchheim. Die Mutter hatte ihr das weiße Gewand genäht. Die Flügel stellten die Ordensfrauen des Eibelstadter Kindergartens zur Verfügung. Man schrieb das Jahr 1929. Vera Berz war fünf und ging, wie man damals statt KITA sagte, in eine BEWAHRANSTALT.

Die Frage, wie man vor vielen, vielen Jahren Weihnachten gefeiert hat, findet Ida aus Veitshöchheim höchst interessant. Im Rahmen der Aktion „Lebendiger Adventskalender“ lernte die Elfjährige am Donnerstag Vera Berz kennen. Seit dem 1. Dezember wird den Bewohnerinnern und Bewohnern der Caritas-Einrichtung jeden Tag um 16 Uhr etwas Adventliches geboten. Schon zweimal hatten die Senioren Besuch vom Kindergarten. Am 6. Dezember war Diakonin Claudia Grunwald mit einigen Kindern im Pflegeheim zu Gast. Bevor es losging mit dem halbstündigen Programm, hatte Ida Gelegenheit, mit Vera Berz zu sprechen.

Weihnachten, das war damals, also vor rund 90 Jahren, für Kinder ein geradezu unbeschreibliches Gefühl, erzählte Vera Berz. Die kleine Vera glaubte noch fest an das Christkind. Das brachte nicht nur Geschenke: „Sondern auch die Plätzchen.“ Aus diesem Grund durfte das Mädchen beim Plätzchenbacken auch nicht mithelfen. Sollte es doch nicht wissen, dass es die Mutter war, die all die leckeren Makronen, das Butter- und Spritzgebäck hergestellt hatte: „Auch das wurde vom Christkind gebracht.“

Während es heute Geschenke in Hülle und Fülle gibt, war das Christkind damals noch ziemlich bescheiden. Wobei die Freude der Kinder um nichts geringer war als dieser Tage. Gut erinnert sich Vera Berz noch an die Puppenküche, die 1929 unter dem Christbaum lag. „Mein Vater hatte mit mir damit gespielt“, sagt sie und lächelt. Ein bisschen Wurst wurde zusammengeschnippelt, das diente als Kochgut.

Viel intensiver als heute, erfuhr Ida, haben Kinder zu jener Zeit Weihnachten erlebt. Es gab kein Internet, das die Illusion vom Christkind zerstört hätte. Allein die Nacht auf den 24. Dezember war etwas ungemein Aufregendes gewesen, erzählte Vera Berz. Bevor das Christkind kam, musste sie mit ihrem Bruder in einem kleinen Kämmerchen mit klopfendem Herzen warten. „Endlich hat das Glöckchen geklingelt“, so die vierfache Mutter, achtfache Großmutter, sechsfache Urgroßmutter und Ururgroßmutter.

Erinnerungen zu wecken, die viele Jahre zurückliegen, das ist ein Sinn des „Lebendigen Adventskalenders“ im Caritas-Haus St. Hedwig. Die Senioren genießen es außerdem sichtlich, mit jungen Menschen gemeinsam Weihnachtslieder zu singen und Gedichte zu hören. Sie spüren auf diese Weise: Auch wenn sie in einem Pflegeheim leben, sind sie nicht vergessen. Viele Menschen denken an sie und machen sich Mühe, ein ansprechendes Adventskalenderprogramm zu gestalten. Ende kommender Woche zum Beispiel wird der Chor der Zellerauer Erlöserkirche den dritten Adventssonntag gestalten. Auch die Veitshöchheimer Mittelschule will noch zu Besuch kommen.

Mit wie viel Kreativität gerade die Kinder und Jugendlichen die einzelnen Parts des „Lebendigen Adventskalenders“ gestalten, findet Vera Berz einfach „herrlich“. Gerade von Ida war die Seniorin beeindruckt. Denn die Elfjährige spielt, bereits sehr versiert, ein für Kinder ungewöhnliches Instrument: Fagott. Zusammen mit ihrem Bruder, der Oboe lernt, trug sie zum Auftakt einen sogenannten Rigaudon vor: Einen altfranzösischen Hof- und Gesellschaftstanz aus dem 17. Jahrhundert.

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